Eden

Eden

»In den Berechnungen war ein Fehler. Sie waren nicht über die Atmosphäre hinweggeflogen, sondern waren mit ihr zusammengestoßen. Das Raumschiff bohrte sich mit lautem Krachen, von dem die Trommelfelle anschwollen, in die Lufthülle.« So beginnt Stanislaw Lems Buch »Eden« und die Havarie der fünf Astronauten, die auf dem Planeten gleichen Namens in einem fernen Sonnensystem merkwürdige und bedenkenswerte Abenteuer erleben.

Ich halte es für gut, wenn ich auch schon ziemlich lange nicht hineingeschaut habe. Es ergaben sich ziemlich rasch Übersetzungen in einige Sprachen, und nach den ersten Autorisierungen hatte ich keine Gelegenheit mehr, es mir wieder vorzunehmen, denn wenn es eine griechische, hebräische oder japanische Übersetzung gibt, kann ich nichts damit anfangen.

In diesem Buch wird eine Konzeption entwickelt, die über die Zeitgebundenheit der politischen Satire hinausgeht. Wir finden hier die Totalisierung des Begriffs der Intentionalität. Das wird mit spürbarer, ja geradezu gespenstischer Konsequenz durchgeführt und ergibt überraschende Effekte.

Mir erscheint das originell und echt. Denn der Mensch ist tatsächlich fähig, alles, was in seinem Gesichtskreis auftaucht, als Mitteilung zu behandeln. Daraus das Grundelement der Komposition eines Romans zu machen, ist gar kein so schlechter Einfall, selbst auf philosophischer Ebene. Der ganze Totemismus und Animismus und mancherlei andere Erscheinungen dieser Sphäre der vorgeschichtlichen Kulturformen beruhen bekanntlich darauf, daß die ganze Welt als eine an ihre Bewohner gerichtete Mitteilung betrachtet werden kann. Die Tatsache, daß dies von den Begründern eines bestimmten Gesellschaftssystems ausgenützt werden und dann die politischen Absichten der Diktatoren überschreiten kann, ist durchaus symptomatisch. Von diesem Moment an wird alles zu Information. Zum Beispiel kommt es zur Verabsolutierung eines konspirativen Geschichtsbildes, so daß alles, einschließlich des Regens, zum Symptom wird, das alles, was in der Politik eintreten mag, als schlecht oder gut zu prognostizieren erlaubt. Alles das gehört eben zum allgemeinen reflexartigen Wesen dieser unglückseligen Gattungsexemplare, die gezwungen sind, in einem geschlossenen System zu leben. Das erscheint mir als das Wesentliche in diesem Buch, und sein Wahnsinn - denn dieses Geschichtsbild ist paranoid - wird sehr intensiv und methodisch entwickelt. Das ist das Wertvolle und Bleibende daran. Es wird nämlich nicht - und darin erblicke ich meine Leistung - als zufällige und vorübergehende Konstellation gesellschaftlicher Vorgänge behandelt, die sich auflöst und verschwindet. Das läßt sich von Ort zu Ort, von einer Zeit auf eine andere übertragen und betrifft als tiefgreifende Formel viele verschiedene Erscheinungen in sehr divergenten Gesellschaftsformationen. In diesem Buch herrscht überdies eine glückliche Verbindung zwischen düsterer Unheimlichkeit und Humor. Dieser düstere Humor ist ein genius temporis und ein Signum temporis. Immer noch! Nichts weist darauf hin, daß dies einmal vorbei sein könnte.