»Phantastik und Futurologie« unternimmt den Versuch, eine Theorie der Science-fiction-Literatur aufzusetellen. Im ersten band wird anhand von vielen Beispielen die herkömmliche Sf-Literatur einer kritischen Analyse unterworfen.

Es glückt Lem, von der Zukunft zu sprechen, ohne den Fiktionen der Vorhersagbarkeit, der Hochrechnungen ohne kybernetisches Denken aufzusitzen. Es ist ihm geglückt, weil er als Autor, als schreitend Imaginierender, dem neuen Grundmuster wissenschaftlichen Vernunftgebrauchs in jeder Hinsicht Spielraum gibt.
(Heinrich Vormweg, Süddeutsche Zeitung)

Philip K. Dick oder die unfreiwillige Phantomatik

Der Roman »Ubik« von P. K. Dick ist der einzige SF-Roman, den ich kenne, in dem die Phantomatik wirklich das bewirkt, wozu sie berufen ist: sie sprengt den Unikalismus der Welt. Die Zerspaltung der Wirklichkeit vertieft sich im Verlauf der Aktionen und enthüllt schließlich ihren Abgrund. Die Suche nach dem Erzähler, der weiß, wo das Reale aufhört und wo dessen Maske beginnt, endet auf den Irrwegen einer kläglichen Ratlosigkeit, denn das festzustellen ist, wie bereits gesagt, nicht möglich. Der Erfolg Dicks stellt ein wahrhaftiges Paradoxon dar, denn dieser Autor verfolgte mit seinem »Ubik« weder die Absicht, neue epistemische Qualitäten zu belletrisieren noch sich mit den Techniken der Phantomatisierung zu beschäftigen. Er ging von anderen Prämissen aus, die teilweise spiritistisch und - durch das Vokabular - der SF-Literatur angenähert, teilweise telepathisch sind. (Das sind zwei verschiedene Begriffsbereiche; der Spiritismus, d. h. der Glaube an Geister, muß sich bereichsgemäß überhaupt nicht mit der Telepathie überschneiden.) Doch das Werk hat während seiner Entstehung diese Voraussetzungen neutralisiert und beherrscht. Deshalb muß ich es, um seine Besonderheit hervorzuheben, zweimal vorstellen: einmal kurz zusammengefaßt und ein andermal kommentiert.

Einführung

Eine Definition des Phantastischen zu geben, ist eine der schwereren Aufgaben, die man sich stellen kann. Die Grenzen dieses Begriffes sind so verschwommen, daß - im Hinblick auf die vielen Dinge, die denkbar sind -, schon die Feststellung, ob das jeweilige Objekt phantastisch ist oder nicht, ein Dilemma darstellt. Ein quadratischer Regenbogen ist ohne Zweifel ein phantastisches Objekt, aber kann man eine Addition, in der zwei und zwei sieben ergibt, phantastisch nennen? Eine derartige Operation kann, wie mir scheint, eine phantastische Prägung erhalten, wenn sie in einem entsprechenden Kontext untergebracht ist. Das heißt, daß das Phantastische nicht Attribut isolierter Begriffe sein muß, sondern diesen durch ihre Zuordnung zu einem bestimmten komplexen System zukommt.