Kyberiade
Der Band versammelt alle Fabeln zum kybernetischen Zeitalter, die Stanislaw Lern unter dem Titel »Kyberiade« zusammenfasste: von fünfzehn Erzählungen erscheinen sieben erstmals in deutscher Sprache; die anderen wurden für diese Ausgabe durchgesehen, eine neu übersetzt.
»Das Weltall ist unendlich, aber begrenzt, und deshalb kehrt ein Lichtstrahl, wohin er auch aufbricht, nach Milliarden von Jahrhunderten an seinen Ausgangspunkt zurück, sofern er nur genügend Kraft hat; nicht anders ist es mit den Nachrichten, die zwischen den Sternen und Planeten kreisen. Eines Tages erreichte Trurl aus großer Ferne die Kunde von zwei mächtigen Konstrukteuren-Benefaktoren, die über soviel Vernunft und soviel Vollkommenheit verfügten, daß niemand ihnen gleichkomme. Alsbald begab er sich zu Klapauzius. Der aber erklärte ihm, die Nachricht spreche nicht von geheimnisvollen Rivalen, sondern von ihnen selbst, sie habe den Kosmos umkreist. « So beginnt die siebente und letzte der Reisen, die die beiden Konstrukteure und Erfinder Trurl und Klapauzius in den Weltraum unternehmen.
Stanistaw Lems «Fabeln zum kybernetischen Zeitalter»
Dass Ärzte nicht nur Rezepte, sondern auch Gedichte, Romane oder Dramen schreiben, ist nichts Neues. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es sogar einen Verband schreibender Ärzte. Dem wird der 72jährige Pole Stanislaw Lem schwerlich angehören. Von Hause aus ist er zwar Arzt, aber er braucht keine Kollegen, die ihm helfen müssten, seine Bücher unter die Leute zu bringen. Seit den Romanen «Astronauci» (1951, deutsch «Der Planet des Todes», 1954), «Oblok Magellana» (1955, deutsch «Gast im Weltraum», 1956) und seinen ersten Essays zur «Philosophie des Zufalls» («Filozofia przypadku», 1969) gehört er zu den international erfolgreichsten Autoren.
Lems Doppelbegabung fasziniert seither viele Leser.
Ich muß reuig bekennen, daß ich über das Problem der potentiellen Käufer nichts weiß, weil ich meine ganze Kraft immer nur darauf verwendet habe, das zum Ausdruck zu bringen, was ich sagen wollte. Ich kann nur feststellen, daß die »Robotermärchen« eine bloße Vorschule zur »Kyberiade« waren. Das ist an der chronologischen Abfolge deutlich zu erkennen, denn zuerst nahm ich das konventionelle Märchenschema zu Hilfe, und später kamen immer akrobatischere Kunststücke hinzu. Jemand könnte behaupten, daß ich den konventionellen Leser zunächst vorbereiten, ihn nicht überfordern wollte. Doch das war wirklich nicht meine Absicht.
Eines Tages baute Trurl eine Maschine, die alles produzieren konnte, was mit dem Buchstaben n begann. Als sie fertig war, testete er sie, indem er ihr befahl, Nähgarn, Nadelstreifen und Negliges herzustellen, was sie auch tat; sodann ließ er sie das ganze auf Nangkingseide nähen und an eine nasse Nargileh, gefüllt mit Novocain, Nelken und Nieswurz nageln. Sie erledigte den Auftrag bis aufs I-Tüpfelchen. Da er noch nicht völlig von ihren Fähigkeiten überzeugt war, mußte sie der Reihe nach Nimbusse, Nasenlöcher, Neutronen, Nudeln, Nabelschnüre, Nymphen und Natrium herstellen. Letzteres konnte sie nicht, und Trurl, darüber sichtlich irritiert, forderte eine Erklärung.
»Ich weiß nicht, was das ist«, rechtfertigte sich die Maschine. »Wie? Aber das ist doch simples Soda. Du weißt schon, das Metall, das Element. . .«
»Wenn es Soda heißt, dann fängt es mit s an, ich aber arbeite nur auf n.«
»Aber lateinisch heißt es Natrium.«